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Historische Dürre in Spanien Barcelona steht vor der Frage: Wer kriegt noch Wasser – Bauern oder Touristinnen?

Rasen, Blumen und Büsche werden in Barcelona derzeit der Gnade des Himmels überlassen.

Wo das Wasser auf den Boden prasselt, wirbelt es die staubige Erde auf. Und anstatt zu versickern, fliesst es sofort in alle Richtungen. Das Erdreich ist karg wie eine Wüste, hier im Parc Central de Nou Barris im Nordteil von Barcelona. Von den Palmen hängen büschelweise braune, vertrocknete Wedel.

Jordi Rodríguez ist in dem Stadtteil für die Parks und Gärten zuständig. Mit einem seiner Teams und zwei Tankwagen ist er an diesem Morgen angerückt. Die Gärtner haben bereits kleine Krater um die Palmen gezogen. Sie wissen, dass das wenige Wasser, das sie noch fürs Giessen verwenden dürfen, sonst nicht zu den Wurzeln der Palmen sickern, sondern über den Boden rinnen und in der prallen Sonne verdunsten würde.

Die Gärtnerinnen und Gärtner in Barcelona nennen ihre tägliche Tour mit dem Schlauch «Überlebensbewässerung».

Barcelonas Bäume sind vielleicht nicht das Erste, was den Besuchern der Stadt ins Auge sticht, wenn sie sich auf den Weg zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten machen, der Sagrada Família und dem Barri Gòtic, und natürlich zu den Stränden. Doch die Bäume sind auch ein Wahrzeichen der Stadt, etwa 250’000 gibt es in Barcelona, mehr als in jeder anderen Stadt Spaniens.

An vielen der Avenidas stehen sie beiderseits in Doppelreihen, in den Parks spenden sie Schatten. Etwa 20’000 davon sind Platanen, 12’000 Palmen. Doch seit drei Jahren durchlebt Katalonien die schlimmste Dürreperiode, seit Menschen über das Wetter sprechen. Seit Februar herrscht auch im Stadtgebiet von Barcelona die höchste Alarmstufe. Und seit wenigen Tagen gelten massive Beschränkungen für die Park- und Gartenverwaltung: Kein Trinkwasser darf mehr für die Bewässerung genutzt werden.

Die Bäume bekommen nur mehr das, was sie hier «aigua freàtica» nennen, Wasser aus dem Untergrund der Stadt, Wasser, das aus Zeiten der Schwerindustrie derart kontaminiert ist, dass man es nicht mal mit Reinigungsanlagen trinkbar machen kann. Dieses untrinkbare Grundwasser darf für Strassenreinigung, Kanalreinigung und die Bewässerung genutzt werden. Aber nur für Bäume. Rasen, Blumen und Büsche werden derzeit der Gnade des Himmels überlassen. Buchstäblich. Die Wiesen am Eingang des Ciutadella-Parks zum Beispiel, in dem die Gärtnerinnen und Gärtner an diesem Morgen auch unterwegs sind, gleichen einem Stück Wüste.

Nichts wächst mehr: Im Ciutadella-Park hat sich die einstmals grüne Rasenfläche in einen Sandplatz verwandelt.

Um wenigstens die Bäume der Stadt zu retten, sind 46 «Brigaden» mit je einem halben Dutzend Gärtnerinnen und Gärtnern in drei Schichten pro Tag unterwegs, auch nachts, wenn die Strassen nicht verstopft sind. Insgesamt 290 Leute. «Überlebensbewässerung» nennen sie es. Von den Kollegen der Stadtreinigung haben die Gärtnerteams 36 Tanklaster ausgeliehen. Diese befüllen sie an Hydranten mit dem Grundwasser. Die Laster versorgen dann eine Flotte kleiner Transporter mit 1000-Liter-Tanks, die zwischen Bäumen hindurchpassen. Pro Schicht werden ein paar Dutzend Bäume gegossen, dann müssen die Minitransporter wieder befüllt werden. Es ist ein Kampf.

150 Grünbereiche hat die Stadt identifiziert. Jede Parkanlage, jede Avenida hat ihre Spezifika. Vorrang haben emblematische Alleen, historische Parks. Wichtig sind auch Bäume an prominenten Plätzen und solche, die viel Schatten spenden. «Wir werden in Zukunft noch mehr priorisieren müssen», fürchtet Javier López Coso, der Chefgärtner des Teams, an diesem Morgen. «Es sind in der Vergangenheit viele Bäume gepflanzt worden, die prächtig aussehen. Aber man wird in Zukunft vieles austauschen müssen. Gegen Arten, die weniger Wasser brauchen.»

Minutiös werden die Routen der Wasser-Brigaden geplant, «um das meiste, was möglich ist, zu retten», sagt Jordi Rodríguez. «Um diese Jahreszeit verdunsten die Bäume noch nicht so viel Wasser, aber das wird anders in einigen Wochen, wenn es heiss wird», fürchtet er. Das Personal und die Fahrzeuge würden dann auf keinen Fall mehr reichen.

Im Sommer werden viele Pools trocken bleiben

«Aigua freàtica» steht auf unzähligen Schildern in den Parks und auf den Tankwagen. Ist die Herkunft des Wassers nicht eindeutig erkennbar, kann ein Bussgeld fällig werden. Und es soll die Bevölkerung beruhigen: Hier wird kein Trinkwasser verschüttet.

Seit drei Jahren herrscht Dürre. Die Stauseen der beiden Zulieferflüsse der Stadt sind praktisch leer. Daran dürfte auch der Regen wenig ändern, der am vergangenen Samstag über der Stadt niederging. Ein Grüppchen Katholiken, das in einer Prozession durch die Strassen zog, war überzeugt, dass der Schauer eine Antwort auf ihre Gebete war. Allerdings fiel die Antwort so heftig aus, dass sie ihr Kruzifix in Plastik wickeln mussten.

Prozession für Regen: Verehrer des Heiligen Christus des Blutes ziehen durch Barcelona.

Laut Wettervorhersage war es das aber erst mal mit nennenswertem Regen. Wenn der Sommer kommt, dürfte es hart werden. Auch für Besucher. Viele Pools werden wohl trocken bleiben. Anfang dieser Woche wurde der Druck in den Wasserleitungen in sechs Gemeinden des Grossraums Barcelona gesenkt. An den Strandduschen kleben schon Aufkleber. «Alarm, Dürreperiode, Duschen und Fusswaschanlagen sind ausser Betrieb, um Wasser zu sparen.» Nun mag es noch zumutbar sein, den Strand mit sandigen Füssen zu verlassen. Aber wenn im grossen Stil gespart werden muss, wird Katalonien womöglich vor der Frage stehen, wer noch Wasser bekommt: die Landwirtschaft – oder der Tourismus? Das Konfliktpotenzial ist enorm.

Die Einwohner Barcelonas haben gelernt zu sparen. In der Metropolregion verbrauchen die Menschen im Schnitt 103 Liter Wasser pro Tag. In anderen Städten wie Madrid sind es 140. Den Bürgern wird empfohlen, Wasserhähne zuzudrehen, gefrorene Lebensmittel nicht unter laufendem Wasser aufzutauen, die Toilette nicht als Mülleimer zu verwenden, zu duschen statt zu baden sowie Waschmaschinen und Geschirrspüler vollzupacken.

In der ganzen Stadt hängen Plakate, auf Katalanisch steht darauf: «Notfall. Das Wasser fällt nicht vom Himmel.» Ausserdem gibt es auch Appelle an die Touristen, doch bitte sparsam zu sein. Über eine Zahl wird in der Stadt bereits viel geredet: Jeder Tourist verbraucht im Schnitt rund 500 Liter Wasser pro Tag. Ein Teil davon ist dem Hotelbetrieb geschuldet, Handtücher und Tischdecken werden gereinigt, Geschirr wird gewaschen. Aber was, wenn im Sommer die Hotelpools befüllt sind, während es aus den Duschen der einheimischen Haushalte nur noch tröpfelt?

«Das Wasser fällt nicht vom Himmel», steht auf Katalanisch auf einem Banner nahe der Basilika Sagrada Família.

«Früher gab es kein Problem. Mehr als vier Milliarden Liter Wasser wurden jährlich für das Grün in der Stadt verwendet», sagt Jordi Rodríguez, «80 Prozent davon waren Trinkwasser.» Heute steht nur mehr das Grundwasser zur Verfügung. Und es ist nur ein Bruchteil der Wassermenge von einst.

Weil das Gewusel mit Kleinlastern keine Dauerlösung sein wird, baut die Stadt nun für 14 Millionen Euro ein neues Leitungsnetz, mit dem das untrinkbare Grundwasser an möglichst viele Stellen der Stadt gepumpt werden soll.

«Mal sehen, was in den kommenden Monaten passiert, die Natur überrascht uns immer wieder», sagt Jordi Rodríguez im Parc Central de Nou Barris. Eine Portion Optimismus ist offenbar auch eine Massnahme gegen die Dürre. Oder zumindest gegen das Dürregefühl.