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Das Maggi der AntikeWarum Garum alles ein bisschen besser macht

Garum: Die Sauce aus dem alten Rom wird auch heute noch produziert, beispielsweise in Wetzikon.

Das beste Garum, so ist es überliefert, wurde aus Garnelen gemacht. Es wurde in Fabriken hergestellt, vor allem in Spanien, und war ein Exportschlager. Transportiert wurde die Fischsauce in extra dafür gefertigten Amphoren. Das war vor 2000 Jahren – tempi passati! Wirklich?

Aber nein. Garum (das griechische Wort für Sardellen) hat es locker in die Neuzeit geschafft, wir kommen gleich dazu.

Früher bestand es manchmal aus Lachs, Aal oder Sardinen, aber immer fungierte es als eine Art Maggi oder Ketchup: als eine Sauce, die man über alles geben kann. 

Noch sieht man nicht viel: Die Fischsaucen-Amphore, die man letzte Woche in der Nähe von Vindonissa (Windisch) fand.

Auch im Legionslager Vindonissa, das uns als Windisch AG bekannt ist, wurde mit Fischsauce gekocht. Diese diente als Würze für Früchte, Gemüse, Fleisch- und Fischspeisen, Eintöpfe. Gerade letzte Woche wurde bei Ausgrabungen an der Limmat im Kanton Aargau eine Fischsauce-Amphore entdeckt. Noch steckt sie im Boden, noch sieht man nicht viel. Die Amphoren massen ungefähr 1,20 Meter und unterschieden sich von denjenigen für Öl und jenen für Wein.

Warum hat Garum überlebt?

Die Behälter sind also noch da. Das Lebensmittel Garum auch, nur hat sich dieses gewandelt. Die römische Fischsauce (die nicht, wie Schriftsteller Plinius einst überlieferte, aus Eingeweiden von Fischen gemacht, sondern frischen, ganzen, schönen Exemplaren) steht im 21. Jahrhundert vor allem als asiatische Fischsauce auf dem Tisch. Weltweit. Kennen Sie zum Beispiel diese penetrant riechende Fischsauce aus Thailand? Das ist das Garum der Neuzeit.

Noch näher dran am Original sind Fischsaucen aus Europa: Die dank der Zugabe von allerhand mediterranen Kräutern sehr würzige Pissata aus Nizza etwa ist so eine Variante. Oder eine Flüssigkeit namens Colatura di Alici di Cetara, Cetara liegt an der Amalfiküste, und dieser direkte Nachkomme von Garum soll dort an Weihnachten gegessen werden – eben dann, wenn der Prozess der Fermentierung von Sardellen und Salz beendet ist.

Im kürzlich erschienenen Kochbuch «Die Küche von Amalfi» (Gerstenberg-Verlag) ist ein Rezept zu finden: «Spaghetti mit Fischsauce». Man mischt unter die Pasta Knoblauch, Chiliflocken, Brotbrösmeli, Petersilie, Zitrone und Colatura di Alici. Die Sauce, dazu wird geraten, solle man im gut sortierten Feinkostladen kaufen – selber machen ist zu aufwendig.

Fast wie im alten Rom: Bei Das Pure in Wetzikon fermentiert Garum in spe.

Dass Garum trotzdem überlebt hat, ist den wenigen Zutaten und der eben doch recht simplen Zubereitungsart zu verdanken: Man vermischte die Tiere samt Innerem mit Salzlake und liess alles an der Sonne stehen. Bei der Fermentation wurden Enzyme abgebaut, und dann presste man den Saft ab.

Und heute? Hätte die Aussage Pisces natare oportet – Fische müssen schwimmen – zwar noch Gültigkeit, doch man müsste auch von Gemüse sprechen. Denn jetzt gibt es auch veganes Garum! 

Das hat unter anderem mit dem mittlerweile geschlossenen Lokal Noma in Kopenhagen und dem Überkoch René Redzepi zu tun, der derzeit rund um Ernährung forscht. Garum haben er und sein Team aber schon vor Jahren hergestellt.

Statt Fisch haben sie erst mal Heuschrecken verwendet, «which was funky and wonderful and made us want to go down the rabbit hole»: Das Garum war abgefahren und wunderbar und machte Lust, sich in der Thematik zu verlieren. 

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Was die Noma-Crew tat. In Folge probierte sie alles aus, stellte Garum her aus Eichhörnchen oder Schwänen, mit Spirulina oder Croissants. Und kam immer wieder auf das Pilz-Garum zurück: Das – vegane – «Smoked Mushroom Garum – Project No. 1» war das erste Produkt des Laboratoriums «Noma Projects», das High-End-Produkte für den Vorratsschrank entwickelt. Für das Garum lässt man Pilze, Wasser, Salz und Koji-Pilze in der Fermentationskammer reifen, die braune Flüssigkeit wird anschliessend mit Birkenholz geräuchert, 250 Milliliter kosten ungefähr 20 Franken. O tempora, o mores! Oh, was für Zeiten, was für Sitten!

Wie das antike Garum kann man diese pflanzliche Variante, die geschmacklich bei Sojasauce anzusiedeln ist, für vieles brauchen. Mittlerweile ist sogar Rindsgarum – eine fermentierte Sauce aus Rindfleischabschnitten – auf dem Markt. 

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Bei Patrick Marxer ist das Garum pflanzlich

«Garum ist nichts anderes als eine thermophile Fermentation», erklärt Patrick Marxer, Chef-Tüftler der Manufaktur Das Pure in Wetzikon. Das Pure ist bekannt für seine Miso-Produkte und andere «ökologische Delikatessen» wie Fischsaucen mit Fischen aus dem Zürichsee oder Pilzgarum. Letzteres wird aus Pilzstämmen hergestellt und 80 Tage lang bei 60 Grad fermentiert. Es ist laut Marxer eine gesunde und nachhaltige Alternative zu Salz.

Patrick Marxer –  der Chef-Tüftler der Manufaktur Das Pure am Zürisee.

Noma, so sagt er, habe Garum insofern neu definiert, als dass Garum seit Redzepis Buch «Fermentation» eben als thermophile Fermentation bezeichnet wird. Und nicht mehr als Fischsauce. Ein Vorteil von ebendieser Methode, etwas bei ungefähr 60 Grad zu fermentieren, sei, so Marxer, dass Bakterien keine Chance hätten. Geschmacklich liegt der Pluspunkt ebenfalls auf der Hand: Den pflanzlichen Saucen fehlt das Fischige, das nicht immer und überall passt.

Die neuen «Garum-Fabriken» brauchen also nicht mehr unbedingt tierisches Eiweiss, sondern beispielsweise einen Koji-Pilz. Mithilfe der Enzyme dieses asiatischen Pilzes stellt auch Das Pure Garum her.

Übrigens auch die Fischsaucen. Auch sie entstehen durch «Garumtechnik». Das hat mit den Innereien von Fischen (Weissfischen, Zander, was der Fischer halt gerade bringt) zu tun. Man würde, sagt Marxer, die Algen schmecken, und das will er nicht. «Es geht ja nur darum, dass wir ein bitzeli Eiweiss haben.» Für seine Rauchfischsauce legen er und sein Team die Haut von eigens geräucherten Lachsen in ein Fass und lassen sie fermentieren. 

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Wunderbar, dieses zero waste! Das gilt nicht nur für den Fisch, sondern auch für das Pilzgarum: Die Pilzstrünke dafür kommen aus dem Pilzbetrieb in Gossau ZH. Diese werden mit dem Trester einer Erbsensauce angesetzt. 

Gerade probiert Marxer mit seinem Team eine Variante mit Koji mit Shiitake aus. Letzterer ist einer der vier Umami-Komponenten in Japan.  Wie sie schmeckt, weiss man noch nicht, das Ganze ist erst einen Monat alt und damit noch nicht «reif».

Die Prognose, und das sagt jetzt nicht Patrick Marxer, sondern es ist irgendwie klar, ist folgende: Die Sauce wird perfekt sein. Das liegt, so scheint es, in der Natur von Garum: Summa summarum verschönert dieses das Leben. Es stellt – beim Kochen – Ähnliches dar wie das Sahnehäubchen oder die Kirsche auf der Torte, etwas, das (fast) alles ein bisschen besser macht und allem etwas Würze verleiht.