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Lesende fragen Peter Schneider«Worin, Herr Schneider, besteht eigentlich Ihre Expertise?»

Es ist vorbei: Peter Schneider schrieb etwa tausend Kolumnen für den «Tages-Anzeiger», diese ist seine letzte.

Worin, Herr Schneider, besteht eigentlich Ihre Expertise? P. S.

Lieber Herr S.

Das ist eine gute Frage, die ich mir hier stelle. Die wichtigste Expertise, die ich mir meiner bescheidenen Meinung nach selbst attestieren würde, ist die Bullshit-Erkennungs-Expertise. Zum Beispiel bezüglich der Frage, ob wir tatsächlich einen freien Willen haben und ob die Neurowissenschaft eine Antwort liefert.

Spoiler: Nein. Weil nämlich «freier Wille» aus einem anderen «Sprachspiel» (Wittgenstein) stammt als «Erregungspotenzial im Hirn». Wenn wir sagen, dass es einen freien Willen gibt, behaupten wir nicht, dass unser Denken und Handeln völlig unvorhersehbar herumlichtert, sondern zunächst einmal nur, dass wir bei einer Entscheidung nicht unter äusserem Zwang stehen (Zwangsheirat) und uns auch keine innere Stimme (Psychose) etwas befiehlt.

Von dieser Feststellung aus können wir Situationen betrachten, in denen das Gefühl heroischer Freiheit und eines unabweislichen inneren Zwangs («Da stand ich und konnte nicht anders») merkwürdigerweise zusammenfallen, wir können darüber nachdenken, wie institutionelle und soziale Bedingungen unsere Wahlmöglichkeiten einschränken usw.

Die Antwort auf die Frage wird durchaus komplex ausfallen, aber sie ist nicht in einer Gehirnregion zu finden. (Erstaunlich finde ich übrigens immer wieder auch, wie Leute, die im modischen Wechsel der Trendfarben von der einen Saison zur nächsten einen Wandel der Gesellschaft aufspüren, gleichzeitig der Ansicht sein können, die Evolution habe uns nicht auf den Gebrauch von Smartphones, Social Media oder was immer vorbereitet, weil wir alle noch ein «Steinzeitgehirn» haben.)

Ein anderes Beispiel ist das «Es gibt nur zwei Geschlechter»-Mantra. Die geschlechtliche Binarität ist gewiss ein wichtiger sozialer Organisator, aber er bröckelt und liefert unübersehbar nicht mehr ein unerschütterliches Fundament der Debatten um Gender und trans. Das Mantra ist inzwischen so bullshitty-unterkomplex wie der Hinweis in einer Diskussion über KI oder Games, letztlich könnten Computer schliesslich doch nur 0 und 1 unterscheiden.