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Rutschungen im oberen GürbetalDer Erdboden gibt nach und zerstört Wald und Gebäude

Im Weiler Schattenhalb in Wattenwil wurden die Anwohnerinnen und Anwohner evakuiert. Die riesigen Erdmassen bedrohten Leib und Leben.

Das Gebiet Ahörndler in der Gemeinde Wattenwil ist stark ins Rutschen geraten. Betroffen sind Hanglagen auf einer Fläche von rund 50 Hektaren – das entspricht über 70 Fussballfeldern. Fünf Millionen Kubikmeter, also etwa zehn Millionen Tonnen Erdreich, sind in Bewegung.

Dieses Rutschvolumen würde 500’000 Lastwagenladungen mit jeweils 20 Tonnen Schutt und Geröll füllen. Zurzeit bewegt sich diese gewaltige Masse unaufhaltsam talwärts in der Gemeinde des oberen Gürbetals.

Niederschläge und Schneeschmelze

«In den vergangenen 20 Jahren kam es dort immer wieder zu Rutschungen», erklärt Manuel Liechti, der Gemeindepräsident von Wattenwil. «Im Herbst 2023 ging es aber richtig los.»

Erste Bewegungen sind im alten Anrissgebiet auf 1200 Metern über Meer festgestellt worden. Diese haben sich ausgedehnt. Anfang Januar 2024 sind entlang der Stafelalpstrasse dann erste Risse erkennbar gewesen.

Bäume, umgeknickt wie Streichhölzer. So sieht das Waldgebiet im Ahörndler nach den Erdrutschen aus.

Grund für die plötzlichen und anhaltenden Rutsche sind die intensiven Niederschläge im Spätherbst des letzten Jahres sowie der darauffolgende Schneefall und die Schneeschmelze im Dezember.

Bereits im Jahr 2018 gab es in Wattenwil einen grösseren Erdrutsch. Im Meierisli-Gebiet gerieten damals rund 60 Hektaren Erdreich in Bewegung.

Strasse um 40 Meter versetzt

«Der Grossteil der Rutschmasse im Ahörndler staute sich zunächst oberhalb der Waldhütte bei Goldegg auf 950 Metern über Meer», führt Liechti aus. «Von dort rutschte ein Teil südwärts Richtung Weiermoos, später dann auch nordwärts Richtung Schattenhalb.»

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Mitte Februar habe sich die Stafelalpstrasse an gewissen Stellen um rund 40 Meter verschoben. «Dabei wurde die kleine Zufahrtsbrücke zum Weiler Schattenhalb stark beschädigt.» 

 Die Brücke zum Weiler Schattenhalb wurde stark beschädigt. Unter dem Riss sind die Armierungseisen zu sehen.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei klar gewesen, dass die Anwohnerinnen und Anwohner im Schattenhalb sofort evakuiert werden müssten, sagt der Gemeindepräsident. 

«Die Rutschungen sind massiv»

Betroffen sind zwei Parteien und drei Häuser. «Den Leuten geht es sehr schlecht. Die psychische Belastung ist gross.»

Lange hätten die Anwohnerinnen und Anwohner und die Gemeinde gehofft, dass es nicht zu einer Evakuierung kommen müsse. Doch plötzlich sei alles schnell gegangen. «Die Rutschungen sind massiv», sagt Manuel Liechti. «Von den Geologen, die das Gebiet täglich begehen, wissen wir: Im Moment rutscht das Gebiet in einem Tag so stark ab wie sonst in einem Jahresschnitt der letzten 20 Jahre.»

Eine der Liegenschaften im Schattenhalb, die evakuiert werden musste. Rechts ist zu sehen, wie der Schopf schräg steht. Der Blick geht Richtung Stockental und Oberland.

Er sei froh, dass die Anwohnerinnen und Anwohner – ein älteres Ehepaar in der einen und eine weitere Person in der anderen Liegenschaft – ihre Grundstücke freiwillig verlassen hätten. «Die Gefahr wurde akut. Am Freitag, 16. Februar, mussten wir das erste Haus evakuieren. Das zweite dann am Montag, 19. Februar.» 

Liegenschaften kaum mehr bewohnbar

Die Betroffenen seien privat untergebracht. Die Gemeinde habe sie beim Umzug unterstützt. «Schliesslich war die Zufahrt zum Schattenhalb mit einem normalen Auto nicht mehr erreichbar.»

Zunächst hätten die Personen nur das Nötigste mitnehmen können. Der Rest sei später abgeholt und in Containern deponiert worden.

Der Riss geht mitten durch einen Baumstrunk im Gebiet Ahörndler in Wattenwil.

«Das Wichtigste ist, dass niemand zu Schaden gekommen ist», zeigt sich Liechti halbwegs erleichtert. «Und doch liegen die Nerven bei den betroffenen Personen blank.

Neben dem überstürzten Auszug aus ihrem Heim stellen sich ihnen nun viele organisatorische und finanzielle Fragen.» Die Gemeinde werde helfen, wo sie könne. «Doch mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die Liegenschaften nicht mehr bewohnbar sein.»

Emotionale Einzelschicksale

Das ältere Ehepaar wohnte 20 Jahre lang im Schattenhalb, hat vieles selbst umgebaut und gestaltet, erzählt Liechti weiter. «Die beiden wollten ihren Lebensabend dort verbringen. Für sie ist die Lage dramatisch.»

Dass das Ganze auch ihn selbst mitnimmt, ist Manuel Liechti anzuhören. «In meinen bald vier Jahren als Gemeindepräsident und weiteren sieben Jahren im Gemeinderat von Wattenwil ist das die schwierigste Situation, die ich erlebt habe.»

Die Messungen der Experten hätten noch bis vor ein paar Wochen keine akute Gefahr für die Anwohnerinnen und Anwohner gezeigt, betont der Gemeindepräsident. Ausserdem habe man präventiv kaum tätig werden können. «Es konnte schlicht nichts unternommen werden, damit der Hang nicht rutscht. Wir wussten, dass wir die Liegenschaften erst im Akutfall evakuieren würden. Dieser ist jetzt leider eingetreten.»

Gebiet vollständig abgesperrt

Die Entscheidung sei richtig gewesen, sagt Manuel Liechti. «Ich war am Mittwochvormittag im Gelände. Die Gebäude im Schattenhalb sind bereits beschädigt.» Der Boden sei uneben, die Gebäude stünden schräg und wiesen Risse auf. «Jeden Tag gibt es neue sichtbare Veränderungen.» 

Die Evakuierung der anwesenden Personen sei der erste und wichtigste Schritt gewesen. Und nun auch die Absperrung des gesamten, 50 Hektaren grossen Areals. Der Gemeinderat hat deshalb eine Verfügung erlassen, welche das Betreten des Gebiets per sofort untersagt.

Dies betreffe auch den offiziellen Wanderweg, der durch das Gebiet führe, sagt Manuel Liechti. Die Kartenübersicht zum Sperrgebiet ist auf der Website der Gemeinde oder am Schalter der Gemeindeverwaltung einsehbar.

Lebensgefahr durch umstürzende Bäume

«Im bewaldeten Rutschgebiet besteht Lebensgefahr durch umstürzende Bäume», warnt Liechti. «Ich will das Ganze ja nicht als Attraktion verkaufen, doch zu sehen, wie sich die Bäume in sichtbarer Geschwindigkeit um ihre eigene Achse drehen und das Knacken zu hören, das ist sehr eindrücklich.» Und: «Manch alter und stark verwurzelter Baum ist schon gefallen.»

Es sei äusserst schwierig, abzuschätzen, was im Rutschgebiet weiter passiere. «Die Leute haben viele Fragen und Ängste.» Das spüre man im Dorf. Es werde viel geredet und spekuliert. Und doch könne er keine konkreten Angaben machen, erklärt Manuel Liechti. 

Die Gemeinde hat das ganze 50 Hektaren grosse Rutschgebiet abgesperrt.

«Die Geologen untersuchen das Gebiet genau. Es wird täglich überwacht und laufend neu beurteilt.» Solange an der Oberfläche keine sichtbaren Spuren zu sehen seien, bleibe die Beurteilung sehr komplex. «Es ist im Moment davon auszugehen, dass sich das Gebiet in vergleichbarem Tempo weiter bewegt. Insbesondere bei anhaltenden Regenfällen oder bei Schneeschmelze.» 

Wohin die Masse rutschen könnte, das kann derzeit nicht genau gesagt werden. «Stand heute besteht keine Gefahr für das Dorf und die dicht besiedelten Gebiete.»

Weitere Orientierung am Donnerstag

Ähnlich äussert sich das kantonale Amt für Wald und Naturgefahren (AWN). «Die Abläufe im Rutschgebiet Ahörndler sind komplex», schreibt das AWN auf Anfrage. «Die Rutschmasse bewegt sich inhomogen, und das Bewegungsmuster ändert sich fortlaufend.» Expertinnen und Experten von spezialisierten Fachbüros sowie vom AWN verfolgten die Entwicklungen täglich und stünden der Gemeinde beratend zur Seite.

Am Donnerstag wollen Gemeinde, AWN und die beigezogenen Fachpersonen die Öffentlichkeit weiter informieren.

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