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Erstes queeres Hotel ÖsterreichsWillkommen sind Feen im Fummel, aber auch Heteros

Itshe und Io sind Initiatoren, Gestalter und Gastgeber in der «Absteige zur bärtigen Therese» – und nicht zuletzt ihr eigenes Kunstobjekt.

Es ist Mitte März noch ziemlich unwirtlich in Trahütten auf der Koralpe in der Weststeiermark; die Natur hinkt am Berg einige Wochen hinter dem lieblichen Süden mit seinen Weinbergen und seinem milden Klima her. Vom Tal steigt ein kalter Nebel herauf in das 400-Seelen-Dorf, der sich über winterbraune Wiesen und Wälder legt, nur ab und zu reissen die Wolken auf.

Aber mit ein wenig Fantasie lässt sich erahnen, wie grandios die Aussicht hier oben ist – über das Tal hinweg, in dem man Graz in der Ferne erahnen kann, und dann hinein in die Weiten der Pannonischen Tiefebene. Und wenn es eines im Überfluss gibt in der «Absteige zur bärtigen Therese» – dann ist es Fantasie.

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Alles an dieser «Absteige» der besonderen Art und an ihren beiden Betreibern ist auf die eine oder andere Weise fantastisch. Was nicht allein daran liegt, dass Io Tondolo und Itshe Petz sich einen lang gehegten Traum erfüllt und vor wenigen Wochen im ehemaligen Landgasthof von Tondolos Grossmutter das – laut Eigenwerbung – «erste queere Hotel Österreichs» eröffnet haben. Sondern vor allem daran, dass «itshe + io» quasi ihr eigenes Kunstprojekt sind: Designer, Innenausstatter, Erfinder ihrer selbst und ihrer Umgebung. Non-binär und ein ziemlich aussergewöhnliches Paar sind sie ausserdem. Immer im gleichen Look, vom Käppi über die neonfarbenen Hosenträger bis zum Glitzeroverall, und als «Drag Kings» auch gern ihr eigenes Fotoobjekt.

Heteros heissen hier «Alliierte»

Itshe ist aus «it», «she» und «he» zusammengesetzt, und Io steht für «ich» auf Italienisch. Für die queere Community, die in Trahütten einen Zufluchtsort, eine «queer base», finden soll, mag der Gasthof ein Ort sein, an dem man gemeinsam Wochenenden verbringen oder brunchen, sich ausprobieren, Partys feiern, sich zurückziehen kann. Denn bis auf weiteres ist die Bärtige Therese nur an Wochenenden geöffnet – und das auch erst wieder ab Mai. Den April wollen die zwei Gastgeber nutzen, um sich für den Sommer neue Events, neue Specials auszudenken. Weil sie mehr bieten wollen als Kost und Logis.

Überhaupt ist die ganze Sache zum Schluss ein wenig hopplahopp passiert; eigentlich, sagt Itshe, «waren wir noch gar nicht fertig mit allen Vorbereitungen und Ausbauten». Aber dann habe sich die Geschichte von einem queeren Hotel in Windeseile verbreitet, «und wir haben einfach angefangen. Sonst hätten wir es vielleicht nie getan.»

Für Heteros, die als «Alliierte», als Unterstützer, durchaus willkommen sind, sind das Haus und das gastgebende Duo eher ein kleines Abenteuer auf Zeit. Und eine Gelegenheit, Probe zu wohnen in einer Atmosphäre von, sagen wir mal: liebevoll gepflegter Unkonventionalität und ein klein bisschen Crazyness.

Itshe und Io kommen aus der Kunstszene, das ist schon beim ersten Anblick des Gasthauses klar, das im Dorf am Ende einer schmalen Strasse liegt. Die Fassade ist geschmückt mit einer exaltierten Form der Lüftlmalerei: bunte, grafische Muster mit Blümchencharme, dazwischen fesche Männerschnurrbärte. Die grossformatige Wunderwelt setzt sich im Gastraum mit einer Urwaldanmutung fort.

Der ehemalige Landgasthof von Ios Grossmutter hat ein zünftiges Make-over erhalten.
Ehrensache, dass die Besitzer auch bei der Fassadengestaltung selbst zu Werke gingen. Hier Io auf der Leiter.

Dies, wie fast alles andere, haben die beiden selbst gestaltet. Itshe Petz hat «Künste im Sozialen», Io abstrakte Malerei an der Universität für Angewandte Kunst in Wien studiert, ausserdem hat Io bei seiner Grossmutter hervorragend kochen gelernt. Beide sind Fans von Performances und Kulinarik – und das am besten kombiniert. Kennen gelernt haben sich die beiden denn auch im Rahmen einer queeren Veranstaltung am Rande der Wiener Gay Pride, bei der Io kochte und ein gärtnerisches Talent suchte, das Itshe mitbrachte.

Das Gasthaus der Oma wird zu Utopia

Es folgte ein erster, langer Abend in einer in den Boden eingelassenen, von unten zu befeuernden Badewanne auf einem Festivalgelände und das eine oder andere heitere Abenteuer in und mit einem in Gold lackierten Wohnwagen. Aber weitere, allzu private Details erzählen die beiden lieber persönlich, in der dunkel getäfelten Bar, die sie für die Bärtige Therese entworfen und, natürlich, selbst eingebaut haben. Seit jenem Abend jedenfalls, sagt Io, seien sie keine Minute mehr getrennt gewesen.

Ginge auch gar nicht anders. Das Paar, das über mehrere Jahre als «Self Sight Seeing Company» gemeinsam ein Designstudio in Graz betrieb, hat sich bisher in vielen verspielten Projekten, aber auch in einem kompletten Versicherungsgebäude verwirklicht, das es mit einer verspielten Mischung aus Retro-, Selfmade- und Naturästhetik ausgestattet hat.

Nun ist das eigene Haus dran, das Io der Verwandtschaft nach einigen Querelen abkaufte. Hier soll, sagt Itshe, queere Politik gelebt werden, ein queeres Utopia soll das Ganze werden und was noch alles, aber ein bisschen drunter und drüber geht es vorerst auch: Schliesslich sind einige Zimmer im ersten Stock noch Baustellen. Work in progress im progressiven Hotel sozusagen.

Mit wenigen Mitteln und viel Einfallsreichtum haben die Gastgeber den alten Gasthof von Ios Grossmutter in ein stylisches Boutiquehotel der etwas anderen Art verwandelt.
Io hat von seiner Oma hervorragend kochen gelernt. Bei «Therese» muss also niemand hungern.

Andere Räume hingegen sind schon äusserst behaglich zu bewohnen: mit neuen, breiten Betten, die aus Omas Resten im alten Gasthof zusammengebaut wurden, mit weiss lackiertem Holzfussboden und alten Berliner Türen als schmuckes Mosaik an der Wand.

Mit Tischen, die aus dem früheren Fussboden des Grazer Studios entstanden sind, mit wunderbar gepflegten, riesenhaften Zimmerpflanzen, Nippes und Krimskrams und einer ziemlich gut ausgestatteten Bar.

Die Absteige zur bärtigen Therese hat – wie soll es anders sein, wenn «internalisierte Homophobie» bekämpft und eine «Akademie der Vielfalt» dauerhaft auch im Kopf gelebt und gelehrt werden soll – eine schwule Bibliothek. Da findet sich dann alles von der «Gay History» über «Queer Diasporas» bis zu «Queer Magic» und «Queer Spirits». Und eine physische Bibliothek zum Sitzen und Lesen gibt es auch – im Birkenlook, mit Wendeltreppe und Daybed. Alles sehr schön ausgedacht und liebevoll hergerichtet für Menschen, die sich mal nicht in Familienhotels aufhalten wollen.

Blick in die – ebenfalls queere – Bibliothek.

Denn Familienhotels würden, wie Io mit einer gewissen Bitterkeit sagt, gern bei Schwulen und Lesben werben. Aber wenn man dann dort buche, werde man eben doch angestarrt von den anderen Gästen. «Macht zwar nichts», sagt Io versöhnlich, «aber man wüsste es ganz gern vorher.»

Wer einfach mal ausprobieren will, kann sich im Drag Room bedienen

Und so leben Io Tondolo und Itshe Petz nun in Trahütten «fast am Ende der Welt», wie Itshe grinsend sagt, aber so schlimm ist es dann auch wieder nicht. In die nächste Grossstadt, nach Graz, braucht man eine Dreiviertelstunde, und ausserdem kommt die Welt auch auf die Alm. Im Februar haben die beiden Neo-Hoteliers schon einen «Fairie-Ball für Feen im Fummel» veranstaltet. Ein Wochenende nur für Lesben gab es auch, und wer sich bei einem Sonntagsbrunch einfach mal ausprobieren will, kann sich im zweiten Stock im Drag Room bedienen. Der ist zwar auf der einen Seite auch noch ein bisschen Baustelle, aber auf der anderen Seite des Dachzimmers glitzert und funkelt es schon ganz heftig an den Kleiderständern. Und alles, was nicht ist, kann ja noch werden. 

Wer zu Fuss zu «Therese» kommt, muss sich ganz schön ins Zeug legen. Aber der Blick ins Tal ist die Mühe wert.

DZ mit Frühstück ab 120 Euro. Wochenend-Specials: DZ für 2 Nächte inkl. Frühstück und Dinner ca. 400 Euro, EZ für 2 Nächte inkl. Frühstück und Dinner ca. 180 Euro. absteige.eu

Wie hinkommen? Mit dem Zug nach Graz (direkt oder mit Umsteigen in Salzburg, ca. 10 Std.; Nachtzug ca. 12 Std.), dann mit der S-Bahn nach Deutschlandberg (ca. 1 Std.) und von dort weiter mit dem Taxi (ca. 10 Min.) oder zu Fuss (ca. 2 Std.).